Tag 12, 23. 10. – Opononi lässt und nicht mehr los, zu Besuch beim Gott des Waldes
Nachdem es die ganze Nacht und morgens geschüttet hatte, klart es wieder auf, das Meer an der Doubtless Bay beginnt türkis zu leuchten, das Licht gibt und nimmt die Farben. Die See ist heute rauh. Wir fahren weiter den SH10 – (dazu hatte uns Pete geraten, dieser sei viel schöner zu fahren und es gebe weniger Unfälle als auf dem SH1) zurück entlang der Bay of Islands, über Kerikeri, dann auf den SH12 und machen einen Stopp in Kaikohe, The Hub of the North, was uns aber nicht so anspricht. Wir kaufen nur ein paar Lebensmittel und fahren weiter.
Erst an der West Coast in Opononi halten wir wieder und sind begeistert: Ein Küstendörfchen am Hokianga Harbour mit Dairie und Tankstelle in einem, Fish’n Chips Shop und einem Holzsteg, der auf das Wasser führt. Im Nebelgrau kommen wir dort an, dann färbt die Sonne den Sand golden und das Wasser türkis, gibt nun unseren Blick frei auf ein atemberaubendes Panorama aus Sanddünen, Felsen und Hügel in etlichen Schattierungen von Grün, mit denen das Licht spielt. Es glitzert. Glänzt. Ist schön. Am Straßenrand halten ein paar Wagen, Jugendliche treffen sich, Reisende bleiben stehen und genießen die Aussicht. Wir treiben uns herum, fotografieren, fühlen uns wohl. Die Fish’n Chips Portionen sind riesig, alle essen draussen, halten die Gesichter in die Sonne, sind bester Laune. Die Möwen warten auf ihren sicheren Anteil.
Es gibt ein Denkmal für Opa, den freundlichen Delphin, der hier von 1955-56 so zutraulich mit Kindern und anderen Badenden gespielt hat, wie es von keinem anderen wild lebendem Delphin berichtet wurde. Zum ersten Mal gesichtet wurde Opo 1955, allein den Fischerbooten folgend. Man fand heraus, dass die Delphinlady sich gern mit einem Ruder kratzen liess, sie sprang um die Boote und folgte ihnen bis zum Ufer, wo sie dann den direkten Kontakt besonders zu Kindern suchte. Sie machte Kunststücke mit einem Ball und liess sich gern streicheln, kleinere Kinder durften sogar auf Opo reiten. Rauhe Personen mied sie einfach, nie wurde jemand verletzt. Am 8. März 1956 um Mitternacht trat ein Gesetz zum Schutz des Delphins in Kraft, der an diesem Tag nicht mehr auftauchte und am 9. März, von der Ebbe freigegeben, in einer Felsspalte eingeklemmt tot aufgefunden wurde. Einwohner glauben, dass der Delphin mit Plastiksprengstoff attackiert wurde, was illegal zum Fischfang benutzt wird. Der Fall löste landesweit Trauer aus und wird bis heute kontrovers diskutiert. Das Grab von Opo befindet sich vor der R.S.A Halle.
Wir verlassen Opononi und möchten in der Nähe des Waipoua Kauri Forest eine Möglichkeit zum Übernachten suchen. Kurz hinter dem Ort folgen wir einer Straße, die zu einem Scenic View (Lookout) abbiegt, von hier hat man einen herrlichen Blick über den Hokianga Harbour. Weiter geht es auf der SH12, unterwegs halten wir am Visitor Center und besorgen uns eine Karte vom Waipoua Forest, Neuseelands größtem subtropischen Regenwald, der auch die größten verbleibenden Kauribestände und mit ihm die riesigsten und ältesten Bäume dieser Art beherbergt. Inzwischen regnet es sehr stark, trotzdem wollen wir zum Tane Mahuta, the God of the Forest gehen. Wir haben gute Regenkleidung und der Baum ist nur einen 5 min. walk von der Straße entfernt. Mit 51,2 m Gesamthöhe ist er der höchste lebende Kauri-Baum Neuseelands. Sein Umfang beträgt 13,77 m und sein Alter wird zwischen 1200-2000 Jahren vermutet. Ja, ein Riese. Wir finden es schade, dass er so weit weg ist vom Holzsteg, hatten gehofft, ihn berühren zu können. Als ahne er es, fällt eine Regenträne von seiner Krone auf mein Gesicht 🙂 Die Holzstege in den Kauriwäldern schützen die empfindlichen Wurzeln der Bäume. Manchmal führen sie fast durch die Kronen, das nennt man dann Tree Top Walk.
Wir fahren weiter, wollen einen Parkplatz für die Nacht finden. Der SH12 ist hier sehr schmal, wird vom üppigen, dichten native bush bedrängt. Durch das Wetter ist die Luftfeuchtigkeit besonders hoch und es ist sehr dunstig hier – so, wie man sich einen Regenwald vorstellt. Dann ein mächtiger Stamm quer über der Straße, ein kleiner Wagen kann sich darunter herzwängen, für uns im Campervan gibt es kein Vorbeikommen. Wir drehen, was hier eine Kunst ist mit 6,60 m Fahrzeuglänge und fahren zurück. Zum Halten gibt es kaum Gelegenheit, so landen wir wieder in Opononi und verbringen die Nacht auf dem Parkplatz am Meer, was auch ok ist. Anderen ist es ähnlich ergangen, wir sind hier nicht die einzigen Übernachtenden, obwohl eigentlich kein Overnight Camping erlaubt ist.
Tag 13, 24.10. – Beim Vater des Waldes und am Baylys Beach
Die Straße ist wieder frei, doch den Waipoua Kauri Forest erkunden wir im strömenden Regen. Da muss man in Neuseeland halt manchmal durch. Der Parkplatz ist durch ein braunes Schild zu den Kauri Walks ausgewiesen. Von dort aus hat man die Wahl zwischen 3 kurzen Walks, wir verbinden den Four Sisters Walk mit dem Te Matua Ngahere Walk. Alles ist hier riesig, die Farne überragen uns bei weitem, es gibt richtige Schlingpflanzen und in den Baumwipfeln sitzen wieder die typischen palmenähnlichen Gewächse, die wir hier schon oft gesehen haben und die man Social Climbers nennt. Wir treffen eine Gruppe Ornithologen, die den Waldboden mit Ferngläsern nach dem kleinen Fernbird absucht, den man deutlich hört und der „nicht selten sei, aber schwer zu Gesicht zu bekommen“. Wir warten etwas mit, doch unsere Geduld reicht nicht aus und wir machen uns auf, um weitere Kauris zu bewundern. Zuerst führt unser Weg durch Rimu und kleinere Kauris zu 4 hohen, schlanken Kauribäumen, die extrem nah zusammen wachsen, den Four Sisters.
Am meisten fasziniert uns Te Matua Ngahere, the Father of the Forest. Der älteste Kauri Neuseelands. Mit 29,9 m ist er der zweitgrößte Kauri, zwar nicht so hoch wie Tane Mahuta, doch mit einem Stammumfang von 16,41 m wirkt er viel mächtiger, fast wie eine Wand, wenn man davorsteht. Mit dieser Größe und einem geschätzen Alter von 2000 Jahren erzählt uns dieser wunderbare Baum etwas über die Zeit. Wir verweilen beeindruckt, bis es gar nicht mehr geht. Die Regenkleidung macht zwar mit, aber die Kamerataschen können mehr Wasser nicht mehr aufnehmen und wir müssen zurück.
Unser weiterer Weg führt uns nach Dargaville. Durch Dargaville fließt der breite Northern Wairoa (= langes Wasser) River, der weiter südlich in den Kaipara Harbour und mündet. Über den einst sehr bedeutenden Fluss wurden früher Kauriharz und -holz exportiert. Auch war Dargaville früher nur über diesen Fluss zu erreichen. Noch bis 1920 wurde die Anreise per Boot wegen dem derzeit üblen Straßenzustand bevorzugt. Heute lebt man in Dargaville von Gartenbau und Landwirtschaft. Im Ort finden wir die dringend benötigte Firestone-Werkstatt. Und ach herrje, wir können keinen Ersatzreifen bekommen, da ja auch die Felge fehlt, die wir ohne fachmännisches Werkzeug natürlich nicht vom geplatzen Reifen trennen konnten. Der supernette Mechaniker checkt aber vorsichtshalber alle Reifen und telefoniert für uns mit Maui in Auckland, die dann dort den Ersatzreifen für uns bereithalten.
Heute brauchen wir einen Campingplatz und entscheiden uns für den am Baylys Beach bei Dargaville. Wir nutzen das inzwischen wieder trockene Wetter zum Waschen. Der Platz liegt ausnahmsweise mal nicht direkt am Strand, es ist ein kurzer Weg durch den Ort entlang der Straße nach unten. Auch dieser wunderschöne West Coast Beach ist wahnsinnig lang und weit, sehr windig. Reifenspuren und Verwehungen im Sand, eine Handvoll Strandgänger, weit verstreut, dahinter hohe Dünen.
Abends wundern wir uns über den Mond. Er hängt wie eine Schale am Himmel, die schmale Sichel unten, mit der Öffnung nach oben.
Tag 14, 25.10 – Besuch im Kauri Museum und Ankunft am Karekare Beach
Wir verlassen den Campingplatz am Baylys Beach und halten noch mal in Dargaville, bevor es weitergeht. Ralph will sich Flipflops – hier jandals – besorgen. Der Verkäufer verwickelt uns in ein superwitziges Gespräch über das Verhältnis der Kiwis zum großen Nachbarn, den Aussies. Egal, ob es um Rugby oder Wachs für das Surfboard geht, schwingt da viel Spott und Häme mit. Ich erzähle ihm von Schalke-Dortmund. Ja, genau so wär’s, meint er. Danach geht es auf Quiche und Milchkaffee in das gemütliche blah blah blah, dann fahren wir weiter zum Kauri Museum in Matakohe nördlich von Auckland.
Das Museum ist größer als wir dachten, die Ausstellung beeindruckend. Sie dokumentiert anschaulich die traurige Geschichte der Kauribäume: Leider zählt ihr Holz zu den besten Holzarten der Welt und musste im 19. Jhdt. für den sozialen Aufstieg der Siedler herhalten. Vor dem großen Abholzen soll es etwa 1 Mio. ha Kauriwald in Form von Mischwald gegeben haben, von dem jetzt nur noch 9000 ha übrig sind. Im Museum werden Alltagsszenen und Wohnungen aus jener Zeit nachgestellt und man kann eine Sägemühle in Aktion sehen. Es gibt eine gigantische Kaurischeibe, Möbel und weitere Kostbarkeiten aus dem edlen Kauriholz zu bestaunen. In einem Raum glänzt alles bernsteinfarben, hier stehen die Vitrinen mit dem Kauriharz. Ein Foto kann ich mir nicht verkneifen. Als eine ältere Dame meckert, stecke ich die Kamera wieder ein, bis der Herr, der ihr folgt, mir verschwörerisch zwinkernd „Just do it“ zuflüstert.
Der Souvenirshop im Kaurimuseum lädt zum Stöbern ein. Die Auswahl ist riesig, unter anderem gibt es wirklich schönen Jadeschmuck und eine große Auswahl am Holzschüsseln und Schnitzereien. Ich kaufe mir eine Kette mit einem formschönen Hook – oder auf Māori Hei Matau. Der Anhänger ist ein stilisierter Angelhaken aus Jade und symbolisiert für die Māori Wohlstand und Fülle, Glück und Schutz zu Wasser.
Die Fahrt geht weiter SH12 – 1 – 16, immer Richtung Auckland / West Coast Beaches. Ich will unbedingt zum Karekare Beach, der mich auf Bildern mit seinem Kontrast zwischen blauem Wasser und tiefschwarzem Sand und auch bereits in Jane Campions Film Das Piano so sehr beeindruckt hat.
Die Fahrt ist kurvenreich und anstrengend, heute sind wir beide müde. Wir fahren durch Helensville, was uns ein interessanter Ort scheint, halten jedoch nicht, es ist schon ziemlich spät. In Auckland biegen wir am Waitemata Harbor zuerst falsch ab, finden dann aber unseren Weg zur Piha Road, die landschaftlich wunderschön ist: sehr waldig, schmal und kurvig, überall Fern Trees. Doch es dämmert und wird schnell dunkel. Von der Piha Rd zweigt links die Karekare Rd ab. Als wir auf dem Parkplatz ankommen, ist der Himmel tiefschwarz, doch es ist geschafft: Wir sind am Karekare Beach, „where great Pianos were treated poorly“ (Lonely Planet). Den Gang durch den Stream zum Strand heben wir uns für den nächsten Tag auf, den wir hier ganz verbringen wollen.